Samstag, 7. November 2015
Wer A sagt...
...muß auch B sagen.
Wie die meisten Sprichwörter kann auch dieses beliebig interpretiert und gedeutet werden. Eine positive Variante wäre: Verfolge zielstrebig einen eingeschlagenen Weg, überwinde Zweifel und akzeptiere mögliche Konsequenzen. Eine negative Variante scheint besonders bei Politikern beliebt zu sein: Zieh dein Ding durch, egal wie schwachsinnig es auch sein mag.

Warum ist das so?
Politiker haben keinen leichten Job. Als gewählte Vertreter des Volkes flippern sie permanent zwischen den unterschiedlichsten Interessenvertretungen hin und her. Jeder will etwas Anderes von ihnen, jeder glaubt, sie für seine Ziele instrumentalisieren zu können.
Es gilt, vieles gegeneinander abzuwägen: persönliche Überzeugungen, Fraktionszwänge, politisches Kalkül, wirtschaftliche Interessen. Und irgendwie muß man seine Wählerschaft ja auch noch bei Laune halten, sonst ist es schnell vorbei mit der Herrlichkeit.
Wie weit man auf der Karriereleiter nach oben klettert, hängt von vielen Faktoren ab: Durchsetzungsvermögen, Prinzipientreue, Kompromißbereitschaft, Gespür, Vernetzung, Loyalität, fachliche Kompetenz. Obwohl letzter Punkt immer unwichtiger wird, je höher man klettert. Minister sind in der Regel so austauschbar wie Figuren beim Tischkicker.
Ganz oben auf dem Olymp scheint nur noch eine Eigenschaft wichtig zu sein - das eigene Geltungsbedürfnis.
Wie auch immer sie ihren Weg nach oben gefunden haben, durch harte Arbeit, durch zwangsläufige parteiinterne Abläufe oder ob sie wie ein Kaninchen aus dem Zylinder gezaubert wurden; sie sind da und tragen große Verantwortung.
Leider werden sie nur selten zur Selben gezogen, wenn sie mal richtig daneben greifen.

Es gibt Fehler, die können passieren. Irren ist menschlich und - ja!- Politiker sind auch nur Menschen.
Aber es gibt auch Fehler, die sich langsam anbahnen, die absehbar sind, vor denen wiederholt gewarnt wird, und die dann trotzdem passieren, weil der Verantwortliche nicht den Arsch in der Hose hat, den Fehler als solchen zu benennen.
Warum auch? Für die Kosten kommt meistens der Steuerzahler auf und persönliche Konsequenzen sind selten zu befürchten.

Beispiele gefällig?

Das Verteidigungsministerium, das den Verknüpfungssynergien des MIK scheinbar hilflos gegenüber steht, bezahlt fleißig seine Rechnungen, obwohl es den Gegenwert zu spät, überteuert und schlimmsten Falls nicht einsatzfähig bekommt: Transportmaschinen, die nicht fliegen können, Marine-Hubschrauber, denen der Flug über offenes Meer nicht zugemutet werden kann, autonome Drohnen, die gleich gar keine Flugerlaubnis bekommen. Die Liste könnte endlos weiter geführt werden. Fehler mit Ansage; und die zuständigen Minister waren bei Weitem nicht so ahnungslos, wie sie sich öffentlich gerne aufführten.

Bei Großbauprojekten scheint wider besseren Wissens die Devise "Augen zu und durch" ebenfalls sehr beliebt zu sein. Welch unwürdiges Theater einige Politiker bei Stuttgart21, Hamburger Elbphilharmonie oder Berliner Flughafen BER abziehen, spottet jeder Beschreibung.

Mein besonderes Augenmerk gilt den Spezi's, die sich trotz oder wegen der Bedeutungslosigkeit ihrer Partei besonders auffällig gebärden.
Die FDP hat in der Vergangenheit einige große Persönlichkeiten hervorgebracht, die bevorzugt im Außenministerium wirklich gute Arbeit leisteten. Heute ist die FDP ein Hort arbeitsscheuer Schnösel, die hoffentlich keine Chance mehr kriegen, in der großen Politik mitzumischen. Die realitätsfernen Positionen eines Philipp Rösler bei der Gesundheitsreform 2011 sind haften geblieben.

Aktueller Spitzenreiter in der Hitliste der Bornierten ist Alexander Dobrindt. Einer Partei entspringend, die trotz größenwahnsinniger "mia san mia"-Attitüde nur in einem Bundesland zur Wahl antritt, hat er die Denkweise seines Parteichefs und Landesvaters zur Perfektion getrieben - verlange das Maximum und weiche nur milimeterweise zurück!
Während Horst Seehofer die Republik mit den Themen Betreuungsgeld, Trassenausbau und Abschiebung von Flüchtlingen terrorisiert, hat sich der Verkehrsminister auf die Maut eingeschossen. Und dieser Wahnsinn hat es in sich! Ein Paradebeispiel dafür, welch verheerende Auswirkungen eine "immer weiter so" -Denke haben kann.

Als beschlossen wurde, die ausufernden Unterhaltungskosten für das deutsche Autobahnnetz durch eine LKW-Maut zu kompensieren, standen etliche in Europa bewährte Systeme zur Verfügung. Das beauftragte Toll-Collect-Konsortium entschied allerdings, kraft seiner Wassersuppe, ein völlig neues System zu entwickeln. Dieses hatte Kinderkrankheiten und so verschob sich der eigendlich für August 2003 angesetzte Starttermin immer wieder, bis im Januar 2006 endlich eine voll funktionstüchtige Variante zur Verfügung stand.
Der Bund bestand natürlich auf Schadenersatz für entgangene Einnahmen. Bei der Lektüre des zunächst geheim gehaltenen 1000-seitigen Vertragswerkes entpuppte sich das Ganze als dermaßen unverständlich, dass das Verkehrsministerium um eine die Geschäftsgeheimnisse von Toll Collect bereinigte Version gebeten wurde. Dieses Ansinnen lehnte das Ministerium "mangels Sachverstand im eigenen Haus" ab. Erst am 25.11.2009 wurden größere Teile über WikiLeaks der Öffentlichkeit zugänglich.
Da dieser Fall, als Vorgeschmack auf das bevorstehende Freihandelsabkommen TTIP, vor einem privaten Schiedsgericht ausgetragen wird, ist mit einem Urteil in frühestens 2 Jahren zu rechnen; bei ungewissem Ausgang. Das Verfahren kostete bis jetzt 136 Mio EUR; es geht immerhin um 7 Mrd EUR, die der Bund mittlerweile von Toll Collect fordert.

Dermaßen bestärkt in seinem Tun lief unser Verkehrsminister nun zu Höchstform auf - eine PKW-Maut sollte her! Natürlich wieder in Zusammenarbeit mit Toll Collect! Hatte ja schon mal gut geklappt! Um die deutschen Wähler nicht zu verschrecken, sollte diese Maut nur für Ausländer gelten. Die EU-Kommission signalisierte umgehend, dass sie ein solches Verfahren nicht genehmigen würde. Sie unterschätzte allerdings die Kreativität des deutschen Verkehrsministers. Aus der Ausländer-Maut wurde eine Infrastrukturabgabe, die alle PKW-Besitzer zahlen sollten. Mit der kleinen Einschränkung, das die deutschen ihre Kosten über die KFZ-Steuer zurück bekommen sollten.
Dass sich diese Variante im Kern nicht von der ersten unterschied, erkannte auch die EU-Kommission und blieb bei ihrer angekündigten Ablehnung.
Es kam, wie es kommen mußte. Kaum standen die neuen Regeln im Gesetzblatt, leitete die Brüsseler EU-Kommission Mitte Juni 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren wegen indirekter Diskriminierung ausländischer Fahrzeughalter ein. Alexander Dobrindt blieb nichts weiter übrig, als das Projekt auf Eis zu legen.

Ende gut alles gut? Von wegen! So leicht läßt sich doch ein CSU-Mann nicht die Butter vom Brot nehmen!
Beratungsresistent und in der festen Überzeugung, das Projekt noch zum Laufen zu bringen,wurde bereits kräftig investiert: 76 zusätzliche Stellen in diversen Behörden, ein externer Beratervertrag. Geschätzte Kosten im laufenden Jahr: 8 Mio EUR. Für das kommende Jahr gibt es auch schon einen präzisen Kostenvoranschlag: 11,2 Mio EUR.

Vorläufiger Höhepunkt der Dobrindt'schen Unbelehrbarkeit ist die für 2018 anvisierte Ausweitung der LKW-Maut auf alle Bundesstraßen. Obwohl ein Auftrag dieser Größenordnung europaweit ausgeschrieben werden müßte, werden gerade die Weichen gestellt, dass der neue Betreiber der alte bleibt - also Toll Collect. Durch Verfahrenstricksereien wurde die Einspruchsfrist für Konkurrenzangebote von 6 Monaten auf 2 Wochen verkürzt. Bleibt nur noch die Gefahr eines erneuten EU-Vertragsverletzungsverfahrens.

Ist es politische Naivität oder dummdreiste Unverfrorenheit, die unseren Verkehrsminister antreibt?
Hat er auf seiner Almwiese zu wenig Sauerstoff bekommen oder ist er so ein harter Hund, der die Karre sehenden Auges gegen die Wand fährt?!
Was muß passieren, dass einige Politiker die Kraft finden, über ihren eigenen Schatten zu springen?

Es wird Zeit, das Sprichwort zu ändern: Wer A sagt, muß nicht auch noch B sagen, wenn er weiß, dass A schon falsch war!

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Freitag, 6. November 2015
Alles halb so wild?
15 Schüler eines Gymnasiums in Berlin-Kreuzberg machen eine Klassenfahrt nach New York. Kostenpunkt 32.000 EUR. Wer sich's leisten kann!
Und das ist der Knackpunkt - können sie eben nicht! Da ihre Eltern ausnahmslos auf Sozialtransfers angewiesen sind, wurden die Kosten aus dem Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes erstattet. Also aus Steuergeldern.
Warum nur 15? Weil alle anderen die Kosten selber hätten tragen müssen. Und 2100 EUR für eine Klassenfahrt sind kein Pappenstiel.

Die Berliner Linke versuchte sofort, jede aufkommende Kritik an diesem Vorgehen abzublocken, da alles im rechtlichen Rahmen geschehen sei und eine solche Kursfahrt ein wichtiger Bestandteil des Bildungsauftrages der Schule sei und den kulturellen Horizont von Schülern erweitere. Und die Kostenerstattung sei so geregelt, um Kinder von Eltern, die auf Sozialtransfers angewiesen sind, nicht zu benachteiligen. Die bisherige Diskussion zeige eine "von oben geführte Neid-Debatte".

Wer oder was in diesem Fall auch immer "oben" sein soll; das Prozedere wirft Fragen auf.

Wäre es nicht auch eine Nummer kleiner gegangen?
Bestimmt! Berlin's Bildungssenatorin hatte die Fahrtkosten als entschieden zu hoch kritisiert. Da es in Berlin aber dafür keine Obergrenze gibt, oblag die Genehmigung dem Schulleiter. Müßig die Frage, wie viele Kinder für 32.000 EUR innerhalb Deutschlands eine Klassenfahrt hätten machen können.

Warum regt mich dieser Fall so auf?
Weil er eine Botschaft transportiert, die erhebliche sozialpolitische Sprengkraft besitzt: ES IST NICHT SCHLIMM, WENN DU ZUM UNTEREN DRITTEL GEHÖRST! MACH DIR KEINEN KOPF DARÜBER!
Nicht erst seit der Agenda 2010 hat sich in Deutschland ein Milieu etabliert, dass sich aus der aktiven Teilhabe an der Gesellschaft verabschiedet hat. Ob unverschuldet oder nicht, hat ein erheblicher Prozentsatz der Bevölkerung für sich entschieden, dass die "soziale Hängematte" für die persönliche Bedürfnisbefriedung völlig ausreichend ist. Da der Staat für die elementaren Lebenshaltungskosten aufkommt, läßt es sich bedeutend entspannter leben als für alle, die trotz 40-Stunden-Woche gerade so über den Bemessungsgrenzen liegen und daher jeden Cent dreimal umdrehen müssen.

Obwohl die FDP meiner Meinung nach völlig zu Recht in der Versenkung verschwunden ist, hat sie mal ein Credo vertreten, dem ich vorbehaltlos zustimme: ARBEIT MUSS SICH LOHNEN! Davon sind wir weit entfernt.

Aber warum geben sich so viele mit ihrem Status zufrieden?
Wäre es angesichts ausufernder Profitexzesse auf der einen und zunehmender Verarmung auf der anderen Seite nicht an der Zeit, mit einer Revolution dieses ungerechte System hinweg zu fegen?!
Der Soziologe Rudolf Heberle formulierte 1967 eine Grundvoraussetzung für einen solchen radikalen Umbruch:"...wenn innerhalb der betreffenden Klassen die Diskrepanz zwischen ihrer gesellschaftlichen, insbesondere wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung, und ihrer rechtlichen und politischen Stellung zum Bewußtsein gekommen ist." Zu gut deutsch, wenn die Massen kapieren, dass sie verarscht werden!

Haben wir diesen Punkt erreicht? Mitnichten!
Während sich "bildungsferne Schichten" ihr WeltBILD aus HartzIV-TV und Promiklatsch zurecht basteln, wird die Mittelschicht gerade so weit beglückt, dass sie zwar im kleinen Kreis murrt, aber ansonsten die Füße still hält. Wenn sie doch mal aufmuckt, gibt es Institutionen wie AfD und PEGIDA, die ihr erklärt, wo die wahren Feinde sitzen.

Was passiert mit Kindern, denen tagtäglich vorgelebt wird, dass es nicht lohnt, sich den Buckel krumm zu arbeiten, dass eine Karriere als Youtuber, It-Girl oder Musik-Star tausendmal erstrebenswerter ist, als Fließbandarbeiter oder Kassiererin?
Wie haben sich die anderen Schüler des Berliner Gymnasiums gefühlt, als sie mit ansehen mußten, wie aus den "Benachteiligten" plötzlich "Privilegierte" wurden?

Um nicht falsch verstanden zu werden - ich gönne den Kindern die Fahrt. So wie ich jedem anderen Kind so eine Fahrt gegönnt hätte. Wenn im Grundgesetz verankert wäre, dass jedem Schulkind eine Klassenfahrt ins Ausland zusteht, wär' ich dabei.
Aber so ist es nicht! Der Staat denkt gar nicht daran, seine Bürger gleich zu behandeln. Sollen die sich da unten schön selbst bekriegen. Sonst kommen sie noch auf dumme Gedanken. So wie ich. Das hat System.

Also - KAMPF DEM SYSTEM! (Ein dezenter Hinweis auf einen von mir hoch geschätzten Blog!)

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Dienstag, 3. November 2015
Ich hab nichts zu verbergen
So oder ähnlich schallt es mir entgegen, wenn ich meine Mitmenschen, bevorzugt meine eigene Familie, auf die Problematik der Datensicherheit anspreche. Während mir dieses Thema erhebliche Bauchschmerzen bereitet, scheint es den Meisten egal oder sogar lästig zu sein, sich damit überhaupt zu befassen.

Doch woher kommt diese Verweigerungshaltung?
Niemand will, dass Persönliches in die Hände Unbefugter gelangt. Wenn ich ein vertrauliches Gespräch oder Telefonat führe, hat es gefälligst vertraulich zu bleiben. Ich bestimme, wem ich was mitteile.

So weit die Theorie.
In Wirklichkeit haben wir uns damit abgefunden, dass unsere Telefonate abgehört und unsere Post mitgelesen werden kann. Die STASI-Methoden in der DDR werden heute nur noch mitleidig belächelt. Seltsamerweise glauben Viele, dass sie persönlich davon nicht betroffen sind, dass sie quasi "unter'm Radar fliegen".
"Wen interressiert es schon, was ich kleine Leuchte so von mir gebe!" So lange man keine Schlagwörter wie BOMBE, TERROR und ISLAM benutzt, mag das durchaus zutreffen. Man wähnt sich als zu unwichtig, um in dieses Raster zu fallen. Außerdem kann man sich eh nicht dagegen wehren. Wenn man vom Staat und/oder Behörden/Geheimdiensten überwacht wird, ist das halt so. Alles im Sinne der staatlichen Sicherheit.

Unter dem Deckmäntelchen der Terrorismusabwehr wurden die Karten neu gemischt.
Wenn potenzieller Terrorist A mit offensichtlichem Terrorist B über vermutliches Anschlagsziel X spricht, möchte man natürlich auch alles über wahrscheinlichen Geldgeber D wissen. Dass potenzieller Terrorist A nur deshalb in's Visier geriet, weil er mit Person C (dessen Vater zufällig Mitglied im selben Golfklub wie wahrscheinlicher Geldgeber D ist) im selben Kiez aufwuchs, erscheint uns so abstrakt, dass es gerade mal als Story für einen Hollywood-Blockbuster taugt. Auf welchen legalen oder illegalen Wegen diese Erkenntnisse das Licht der Welt erblickten - geschenkt. Satellitenüberwachung, Gesichtserkennungssoftware, Sprachmusterabgleich und Vernetzung sämtlicher zur Verfügung stehender Datenbanken erzeugen beim Zuschauer wohliges Erschrecken und werden schnell als das abgehakt, als das es konzipiert war - als Entertainment. "Staatsfeind Nr.1" war zum Beispiel ein toller Film. Was davon alles real ist, will man lieber gar nicht wissen.

Aber die wirkliche Gefahr lauert ganz woanders.
Wer etwas verkaufen will, ist umso erfolgreicher, je mehr er über die Bedürfnisse seiner Kundschaft weiß. Er kann sie direkt danach befragen oder er holt sich die benötigten Informationen auf andere Weise.
Wenn man wie im Film "Minority Report" beim Betreten eines Kaufhauses von einem Hologramm persönlich angesprochen und nach der Zufriedenheit des letzten Einkaufes befragt wird, erscheint das als pure science-fiction.
Wenn ich beim Stöbern im Amazon-Shop darauf hingewiesen werde, dass demnächst ein neues Buch meines Lieblingsschriftstellers auf den Markt kommt, hört der Spaß auf. Woher kennen die meinen Lieblingsschriftsteller?
Schlagartig fallen mir weitere merkwürdige Zufälle ein:
-beim Surfen auf dem Firmenrechner wird plötzlich der Wetterbericht meines Wohnortes eingeblendet
-bei einer telefonischen Umfrage werde ich zu persönlichen Familienverhältnissen befragt, die der Interviewer unmöglich wissen kann
-bei der Eingabe des Wortes "Grundsicherungsamt" bei Google erscheinen auf der ersten Seite die Ämter meines aktuellen Wohn- und meines Geburtsortes

Als ich vor zehn Jahren in den Speckgürtel Berlin's umzog, erhielt ich einen Tag später Werbepost von der Royal Bank of Scotland. Aber nicht als Nachsendeauftrag, sondern direkt an die neue Adresse! Dabei war ich noch nicht mal polizeilich umgemeldet!

Leide ich an Paranoia?
Woher wissen die alle so gut Bescheid?

Weil sie unsere Metadaten sammeln und weitergeben!
WER bestellt WANN von WELCHEM GERÄT aus WAS bei WEM? Alle fehlenden Informationen liefern wir sogar freiwillig. Über soziale Netzwerke wie Facebook & Co. verbreiten wir persönlichste Details, die eigendlich niemanden etwas angehen. Wer über WhatsApp kommuniziert, akzeptiert still schweigend, dass seine komplette Namensliste gescannt wird. Smart-Watches und Fitnessarmbänder zeichnen intimste Werte auf. Der vernetzte Haushalt steht kurz davor, sich selbst zu organisieren. Unsere intelligenten Autos melden weitaus mehr Daten als nur Reifendruck und Benzinstand.

Doch wozu die Sammelwut der Datenkraken?
Auf welchen Servern landen die ganzen Daten eigendlich?
An wen werden sie weiter gegeben?
Wird dieser Millionen-Aufwand wirklich nur betrieben, um mir personalisierte Werbung zukommen zu lassen?

Warum machen so viele freiwillig mit?
Der Autor Marc Elsberg hat in seinem Roman "Zero" ein sehr erschreckendes Szenario entworfen, wozu die jetzige Entwicklung führen könnte. Wer dieses Buch gelesen hat, wird sein eigenes Auftreten in der digitalen Welt hoffendlich überdenken.

Letztendlich bleibt nur die Hoffnung, dass der Staat seine Schutzfunktion gegenüber seinen Bürgern ernst nimmt. Der Justizminister und der Datenschutzbeauftragte scheinen auf dem richtigen Weg zu sein.
Auch die Kanzlerin vertritt eine deutliche Position. Auf dem Verlegerkongreß Publishers' Summit in Berlin bezeichnete sie Daten als "Rohstoff des 21.Jahrhunderts". O-Ton:"Hier müssen wir jetzt aufpassen, dass der Datenschutz nicht die Oberhand über die wirtschaftliche Verarbeitung gewinnt."

Na prima!

P.s.: Ich denke lieber nicht daran, in wessen falsche Hände dieser Beitrag fallen könnte.

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Samstag, 19. September 2015
Ich wär' so gern Schriftsteller
Ich habe eine große Leidenschaft - das Lesen. Die Kunst, reale oder fiktive Geschehnisse durch die Kraft der Worte zum Leben zu erwecken, fasziniert mich. Dabei schwimme ich, anders als beim Musikgeschmack, meistens mit dem Strom. Doch nicht überall wo Bestseller drauf steht, steckt auch tatsächlich einer drin. Das Gefühl, die Bestsellermacher hätten die gleichen Drogen konsumiert wie die Schreiberlinge, die ihr Machwerk plötzlich auf den Olymp katapultiert sehen, beschleicht mich meines Dafürhaltens viel zu oft.
Zuletzt geschehen bei "Irma" von Tex Rubinowitz. Angekündigt als DER Gegenwartsroman, entpuppt sich das Ganze als schlecht geschriebene Biographie, die zur Farce entartet, weil nicht mehr erkennbar ist, was real und was fiktiv ist. Und damit kann man auch noch Geld verdienen!
So wie George R.R. Martin, der als Autor der "Game of Thrones" Serie bestimmt sein Auskommen hat, durch seinen Schreibstil aber nicht mein Herz erweichen konnte. Er teilte das Los anderer Koryphäen seiner Zunft, die als Höchststrafe aus meinem Bücherregal verbannt und einem ungewissen Schicksal in der Gemeindebibliothek ausgesetzt wurden.

Das könnte ich doch bestimmt besser! Bilde ich mir jedenfalls ein. Doch die Zweifel nagen. Selbst wenn sich ein Verlag finden sollte, der meine geistigen Ergüsse zwischen zwei Buchdeckel presst; wer soll das lesen? Wer gibt sich mit einer Kopie zufrieden, wenn er das Original haben kann?
Jedes Genre hat seine Platzhirsche, die ich mit einer Bewunderung lese, dass jeder Gedanke, es ihnen gleich tun zu können, ad absurdum geführt werden muss.

Nehmen wir mein Lieblingsgenre - die Fantasy. Unangefochten an der Spitze - Markus Heitz. Von den Zwergen über die Ulldart-Reihe bis zu den Totsehern von Onairos und Co. - unübertroffene Schreibkunst!
Knapp dahinter Sergej Lukianenko, der mit seiner Wächter-Reihe einen Meilenstein gesetzt hat. Und Science Fiction kann der auch.
In seinen Büchern wie "Spektrum" und "Weltengänger" führt er konsequent Gedankengänge weiter, die vor langer Zeit von DDR-Autoren wie Karl-Heiz Tuschel, Klaus Frühauf und Alexander Kröger in die Welt gesetzt wurden. Fremde Welten und Zivilisationen in einer Detailtreue, dass sie kaum noch als Fiktion zu erkennen sind.

Womit wir fließend den Übergang zu den High-Tech-Visionen der Cyber-Generation finden. Als Speerspitze fungieren hier Daniel Suarez (Daemon), Marc Elsberg (Zero) und natürlich Frank Schätzing (Lautlos/Limit). Allen gemein ist eine furchterregend realistische Zuspitzung des technologischen IST-Zustandes, basierend auf einer umfassenden Recherche-Arbeit, die wie im Falle von Frank Schätzing's "Der Schwarm" sogar für ein grandioses Sachbuch (Nachrichten aus einem unbekannten Universum) reicht. ( Das meiner Meinung nach als Schulbuch eingesetzt werden sollte! )

Was hätten wir noch? Realsatire und Humor - auch schon besetzt. David Safier (Mieses Karma), Tommy Jaud (Hummeldumm), Timur Verdes (Er ist wieder da), Francois Saintonge (Dolfi und Marilyn), usw., usw.

Wäre noch der Krimi. Wurde leider auch schon von den ganz Großen beackert. Leute wie Val McDermid, Jussi Adler-Olsen, Stieg Larsson oder Philip Kerr sprechen für sich.

Vieleicht geht's ja noch eine Spur härter?! Sackgasse - am Ende warten Richard Laymon und der Großmeister Stephen King.

Historische Romane? Eine Auflistung der relevanten Autoren würde diesen Rahmen sprengen. Als Beispiele vieleicht Jack Whyte (Die Templer), Noah Gordon (Der Medicus) und Ken Follet, der Genre-übergreifend der Belletristik seinen Stempel aufgedrückt hat.

Eimal in's Schwärmen geraten, fallen mir noch etliche Namen ein, die es wert sind, aus der Privatheit meines Bücherregals in's kollektive Bewußtsein zu treten: Catherine Jinks, Robert Harris, Andreas Brandhorst, Dan Brown, Naomi Novik,....

Es ist zum Verzweifeln! So wie es aussieht, wurde schon jedes Thema behandelt, jede Nuance bis in's kleinste Detail filettiert, jeder Geitesblitz für die Ewigkeit auf Papier gebannt. ( AUF PAPIER! )

Obwohl! Manchmal erhebt sich der Phönix aus der Asche und drängt sich z.B. mit einem fantastischen Konglomerat aus Absurdität und Sprachwitz ( Jonas Jonasson "Der Hundertjährige der aus dem Fenster stieg und verschwand" ) ganz an die Spitze der Bestsellerlisten.

Es gibt also Hoffnung! Lebenserfahrung, gepaart mit Fantasie, Witz und handwerklicher Fleißarbeit - fertig! Das kann doch nicht so schwer sein!

Oder?

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Samstag, 5. September 2015
Ein Bild
Das Grauen hinter menschlichen Tragödien wird meistens erst dann begreifbar, wenn es ein Gesicht bekommt. Selbst wenn mann es nicht sehen kann.
Dieses Bild. Es läßt mich nicht los. Dabei sieht es so harmlos aus. Fast friedlich.

Ein kleiner Junge liegt am Strand. Auf dem Bauch. Sein Gesicht ist abgewand. Er scheint unverletzt zu sein.
Warum liegt er da? Warum ist er vollständig bekleidet?

Etwas krampft sich in mir zusammen.

Warum rührt er sich nicht? Weil es ein Foto ist! Und weil er tot ist!
Tot? Wieso liegt da ein kleiner toter Junge am Strand?!
Was ist mit seiner Familie? Warum ist niemand bei ihm?

Das krampfartige Gefühl weicht Traurigkeit.

Er sieht so einsam aus. So verlassen. Keiner kümmert sich um ihn.
Ein Uniformierter trägt ihn weg. Sein Gesichtsausdruck verrät nichts über seine seelische Verfassung. In seinen Armen wirkt der Junge noch kleiner. Die Füße baumeln herunter. Sie werden nie wieder laufen!

Erst jetzt krallt sich ein grauenvoller Gedanke in mein Hirn.

Was, wenn es mein Kind wäre? Ertrunken. Aus dem Leben gerissen und angespült wie Treibholz. Und die ganze Welt sieht ihn auf diesem Foto, ist betroffen und blättert kurze Zeit später einfach weiter.

Aber das Grauen geht weiter!

Sein Bruder und seine Mutter - ebenfalls ertrunken. Nur der Vater überlebt.
Ich versuche, mich in diesen Vater hinein zu versetzen - es geht nicht. Ich kann es nicht! Mit ansehen zu müssen, wie die eigenen Kinder ertrinken! Das übersteigt meine Vorstellungskraft!

Ich bin 45 Jahre alt und habe noch nie einen Toten gesehen.
Ich kenne keinen Krieg, keinen Hunger, keine Verfolgung.
Dinge, mit denen Millionen Menschen auf der Welt täglich zu kämpfen haben.
Ich danke dem Schicksal dafür, daß ich hier und zu dieser Zeit geboren wurde.

Der kleine Junge hatte dieses Glück nicht. Er kam vor drei Jahren in Kobane in Syrien zur Welt. Und er starb jetzt vor der türkischen Küste. Weil seine Eltern verzweifelt genug waren, um sich auf dieses Himmelfahrtskommando zu begeben.
Allein der Gedanke, meine Kinder in eine völlig überfüllte Nussschale zu stecken, um über das Meer zu kommen, macht mich wahnsinnig!

Doch plötzlich löst sich meine Schockstarre. Ein neues Gefühl drängt nach oben - Wut!

Wut auf die Schlepper, die am Leid der Flüchtlinge verdienen und denen es offensichtlich egal ist, wieviele Menschen dabei umkommen! Die Menschen in LKW's sperren und sie dort jämmerlich verrecken lassen! Unbegreiflich!

Jeden Tag erreichen uns neue Schreckensmeldungen. Wir registrieren sie und versuchen gleichzeitig, sie so schnell wie möglich zu vergessen. Warum rührt uns das Schicksal dieses einen Jungen also?

Im Film "Schindler's Liste" ist es ein kleines Mädchen im roten Mantel, das symbolisch für das Leid aller Ghetto-Insassen aus dem schwarz/weiß-Film heraus ragt.
Das Bild des Jungen im roten Pullover hat die gleiche Wirkung. So wie er sterben mittlerweile täglich Menschen bei dem Versuch, der tötlichen Spirale aus Verfolgung und Krieg zu entkommen.

Und mich beschleicht das ungute Gefühl, daß das erst der Anfang ist!

Wir werden uns bewegen müssen! Lösungen finden. Wir werden unsere komfortable Ecke verlassen müssen! Die Jahre des Friedens und Wohlstandes sind vorbei! Der Krieg findet direkt vor unserer Haustür statt!
Meine Generation hat ihn nicht verschuldet. Aber wir sind gefordert, diese Konflikte zu lösen. Zum Wohle unserer Kinder! Damit ihnen solche Schicksale erspart bleiben!

Ich schaue noch einmal auf das Bild. Die Wut weicht der Ohnmacht.
Wieviele ähnliche Bilder werde ich noch sehen müssen?
Ich fühle mich ausgehöhlt und leer. ES IST ZU VIEL!

Ich muß neue Kraft tanken - im Urlaub. In den Herbstferien werden wir uns einen kleinen Traum erfüllen. Lange geplant und vor einem knappen Jahr gebucht.

Wir fahren nach Griechenland - auf die Insel Kos!

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