Dienstag, 19. Juli 2016
Atemlos
Ich bin zu langsam.

Während ich noch an treffenden Formulierungen zur furchtbaren Tragödie in Nizza feile, fordern die nächsten breaking news meine volle Aufmerksamkeit.
Militärputsch in der Türkei!
Da ich mir (leider!) sicher bin, dass ich noch oft Gelegenheit haben werde, mich über terroristische Anschläge auszulassen, schnell ein paar Überlegungen zur türkischen Situation, bevor der nächste Wahnsinn über uns hereinbricht.

Die wichtigsten 2 Fragen gleich vorne weg:
- War es überhaupt ein Militärputsch? und
- Wem nützt dieses Spektakel?

Auch 3 Tage später bleibt die ganze Geschichte unübersichtlich. Zweifellos hat es bewaffnete Auseinandersetzungen mit hunderten Toten gegeben. Doch die stümperhafte Art und Weise des Aufstandes und vor allem sein schnelles Ende lassen viele Fragen offen.
Normalerweise lassen sich bewaffnete Putschisten nicht von unbewaffneten Zivilisten zurück drängen.
Militärputsche werden gewöhnlich auch nicht von blutjungen Wehrdienstleistenden ausgeführt.
Und der türkische Geheimdienst will nichts gewußt haben?

Die Türkei ist Mitglied der NATO. Folgerichtig äußerte sich deren Generalsekretär Stoltenberg zu den Ereignissen. O-Ton:"Ich begrüße die starke Unterstützung des Volkes für die Demokratie und die demokratisch gewählte Regierung der Türkei."
Erstaunliche Wortwahl, ist die Türkei doch gerade auf dem besten Weg, ebendiese demokratische Legitimation zugunsten einer auf den amtierenden Regierungschef maßgeschneiderten Präsidialmacht zu verlieren.
Es bleibt ein ungutes Gefühl, wenn Lynchjustiz von (zufällig) vollbärtigen Männerhorden an sich ergebenden Soldaten als engagiertes Einschreiten für Demokratie und Rechtstaatlichkeit deklariert wird.

Ganz so überraschend kann die ganze Aktion aber gar nicht gewesen sein, waren die mutmaßlichen Putschisten und Strippenzieher doch sehr schnell benannt. An erster Stelle die Gülen-Bewegung.
Seit dem rollt eine beispiellose Verhaftungswelle durchs Land.
Tausende Militärs, Richter, Anwälte und Journalisten wurden in Gewahrsam genommen, über Zehntausend Staatsbedienstete fristlos entlassen.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier einer die Gunst der Stunde nutzt, um mal richtig gründlich durch zu wischen!
Erdogan selber bezeichnet den Putsch als "Geschenk Gottes", gäbe er ihm doch die Möglichkeit, die Armee einer "vollständigen Säuberung" zu unterziehen.
Anscheinend nicht nur die Armee!

Schon wird in seiner Ministerrunde über die Wiedereinführung der Todesstrafe nachgedacht!
Dass er damit (darin sind sich alle EU-Außenminister einig!) eine rote Linie überschreiten würde, die jede weitere Aufnahmeverhandlung ausschlösse, scheint einkalkuliert zu sein.

Erdogan pokert hoch! Mit seinen eigenen Landsleuten als Einsatz!

Wenn das mal gut geht!

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Hmm ...
... du meinst, dass es vielleicht ein Scheinputsch war, der von Erdogan inszeniert wurde, um einen "guten" Grund zu haben, alle zu inhaftieren, die ihm ein Dorn im Auge waren?

Leider gar nicht so weit hergeholt. Ich kenne noch mindestens ein Land, wo solche Inszenierungen stattgefunden haben/stattfinden.

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