Montag, 28. Dezember 2015
Gute Vorsätze
Nun ist es bald wieder so weit. Weihnachten ist überstanden, die Errungenschaften des Konsumterrors sind verteilt, dem Herrn wurde in Form von teutonischem Liedgut gehuldigt und der body-mass-index tummelt sich oberhalb des Normbereiches. Silvester steht vor der Tür.
Das bevorstehende Ritual ist so weit verbreitet wie umstritten. Wenn um Mitternacht das Schlagen der Turmuhr im Getöse polnischer Böller untergeht, werden wir mit einem Glas Sekt bewaffnet das alte Jahr verabschieden. Dabei ist es Brauch, die nächststehende Person (im Idealfall den eigenen Partner!) in den Arm zu nehmen, zu küssen und - seine guten Vorsätze für das neue Jahr in die schwarzpulververnebelte Umgebung zu posaunen.

In der ehemaligen DDR konnte man diese Vorsätze auf den privaten Bereich beschränken. Da sich der Staat fürsorglich um Bildung, Beruf, Karriere und mögliche Urlaubsziele kümmerte, konnte man den Fokus auf die wirklich wichtigen Bedürfnisse legen: Baumaterial für die Gartenlaube, ein FDGB-Ferienplatz, Zuteilung einer Plattenbau-Wohnung.

Heute ist das etwas anders. Da man für alles selbst verantwortlich ist, muß man natürlich auch berücksichtigen, seine Vorsätze auf alle Bereiche zu verteilen. Aber bitte ohne schwammige und nebulöse Lippenbekenntnisse wie z.B. mehr Sport treiben und gesünder essen. Nur klar definierte Ziele sind hilfreich: jede Woche einen Halbmarathon mit einhergehender Paleo-Diät-unterstützter Gewichtsreduzierung um mind. 10kg; Erreichen der nächsten Gehaltsstufe durch Besuch eines Weiterbildungskurses "Die Kunst, Arbeit zu delegieren" und natürlich erhöhtes karitatives Engagement durch den Kauf eines Jahresloses der "Aktion Mensch".
Dazu ist es unabdingbar, (da sind sich alle psychologischen Leitfäden einig!) eine detailierte Bestandsanalyse der letztjährigen Vorsätze durchzuführen.
Und da hört der Spaß meistens auf!
Jedenfalls bei mir.

2015 sollte mein Jahr werden!
Ich wollte noch mal richtig durchstarten, hatte mir so viel vorgenommen.
Bei nüchterner Betrachtung ist nicht allzuviel passiert.
Während ein Projekt ein voller Erfolg war (meine Hochzeit!), blieben doch viele Baustellen offen, die unzureichend geplant, schlecht kommuniziert und auch noch schlampig ausgeführt wurden - mein persönlicher BER sozusagen.

Ich hänge beruflich fest. Seit Jahren verkümmere ich in der Lagerlogistik; schwere körperliche Arbeit bei mittelmäßiger Bezahlung mit null Aufstiegchancen. Obwohl es durchaus äußere Einflüsse gab, die eine Neuausrichtung torpedierten, muß ich mir eingestehen, dass ich es schlichtweg verbockt habe.
Kennt ihr den Typ, das Glas ist halbvoll, jede Niederlage ist eine Chance und geht nicht gibt's nicht? Genau so Einer bin ich nicht!

Ich komme mit diesem Gesellschaftssystem nicht klar!
Ich hasse es, mich ständig verbiegen zu müssen, um allen möglichen Anforderungen gerecht zu werden.
Wenn ein Vorgesetzter Scheiße labert, kann ich nicht JA und AMEN sagen.
Das Radfahrer-Prinzip "nach oben buckeln/nach unten treten" ist mir zuwider.
Ich will doch nur mein Auskommen haben, ohne dass ein Anderer dabei über die Klinge springen muss! Und wenn mich diese Arbeit auch noch intellektuell ausfüllen würde, wäre dass das Sahnehäubchen.
Meine zunehmende Desillusionierung war eigendlich der ausschlaggebende Punkt, diesen Blog zu starten. Einfach mal den ganzen Frust ablassen, der mir die Seele vernarbt.

Die zweite unerledigte Baustelle ist jedoch noch viel geeigneter, meinen inneren Seelenfrieden zu zerstören - die Beziehung zu meinen beiden Kindern aus erster Ehe.
Hier habe ich richtig versagt!
Jahrelang habe ich nach der Devise gehandelt, wer nichts macht kann auch nichts falsch machen. Heißt im Klartext - kein Kontakt.
Das ist das Falscheste, was man tun kann! Habe ich leider erst jetzt schmerzlich kapiert.
Obwohl beide über 18 und nicht mehr auf mich angewiesen sind, zerreißt es mich innerlich, wenn ich höre, wie sie über mich urteilen.
Während ich zu meinem Sohn ein halbwegs vernünftiges Verhältnis aufbauen konnte (regelmäßige Telefonate, gemeinsame Unternehmungen), herrscht in der Beziehung zu meiner Tochter totale Eiszeit. Egal wie breit die Bresche ist, die ich in unser verkorkstes Verhältnis schlage, sie friert hinten sofort wieder zu. Ich bin mit meinem Latein am Ende! Egal was ich sage, egal was ich tue, es wird mißverstanden und gegen mich verwand.
Meine Tochter kann und will mir nicht verzeihen!
Das ist die größte Niederlage meines Lebens!

Ich habe beiden eine Weihnachtskarte geschickt.
Für meinen Sohn außerdem ein Konzert-Ticket - EISBRECHER, in Berlin, im März.
Die Karte für meine Tochter blieb (mit Ausnahme der Weihnachtswünsche) leer. Was sollte ich ihr auch schenken? Die Annahme ihres Geburtstagsgeschenkes hatte sie ja auch verweigert.

Und was bedeutet das jetzt für meine guten Vorsätze? Die sollen doch realistisch und erreichbar sein?! Kann ich die Beziehung zu meinen beiden ältesten Kindern wieder reparieren? Ich weiß es nicht!

Aber ich würde es mir nie verzeihen, wenn ich es nicht versuchen würde! Egal wie lange es dauert.
Wenn es schon mit der Familie nicht klappt,...

Ich hab' doch noch so viel vor!

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