Dienstag, 2. Juni 2015
Zuwanderung oder Bildungsoffensive?
Wenn Wirtschaftsexperten ihre Wahrheiten verkünden, meldet sich bei mir automatisch Widerspruch. Was ist passiert?
Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group hat prognostiziert, dass im Jahr 2030 in Deutschland 5,8 bis 7,7 Millionen Arbeitskräfte fehlen werden - wenn Produktivität und BIP weiterhin so wachsen sollen wie in den letzten 10 Jahren. Wenn man nichts unternähme, würde das Wirtschaftswachstum auf 0,5 Prozent fallen. WAS ?! Mit 7 Millionen weniger Arbeitskräften hätten wir immer noch Wachstum? Um diese Lücke zu schließen, bräuchten wir Produktionssteigerungen, erhöhte Senioren- u. Frauenarbeitsquoten und - eine langfristige Nettozuwanderung von 500.000 Menschen pro Jahr.
So weit so gut. Ein Schalk, der Böses dabei denkt - aber sollen das alles Facharbeiter sein? Oder vergrößern sie einfach das Heer der Arbeitslosen, von denen wir immerhin 3,6 Millionen haben? Wie soll das unsere Sozialsysteme entlasten?

Laut Statistischem Bundesamt leben zur Zeit 82 Millionen Menschen in Deutschland. 2030 werden es 77 und 2060 etwa 65 Millionen sein.

Erwerbstätige haben wir zur Zeit 50 Millionen. Auch die werden sich verringern. 2030 auf 39 und 2060 auf 33 Millionen. Hauptgründe sind die gegenläufigen Tendenzen von Geburtenzahl und Lebenserwartung.

Das heißt in der Praxis, dass immer weniger in die Sozialsysteme einzahlen, aber immer mehr daraus bezahlt werden müssen.

Also sagt die Marktlogik: Wir brauchen mehr Arbeitskräfte! Für welche Arbeit? Wider besseren Wissens schwadroniert die SPD immer noch von Vollbeschäftigung. BITTE ?! Aber meint sie damit versicherungspflichtige Vollzeitstellen? Oder sollen wir alle auf Minijobs abgeschoben werden?
Dass Deutschland im Moment so glänzend dasteht, hängt auch damit zusammen, dass wir den größten Niedriglohnsektor mit prekären Beschäftigungsverhältnissen in Europa haben.

Meiner Meinung nach hat diese ganze Arbeitskräftemangel-Zuwanderungs-Orakelei nur einen Hintergrund - den Druck auf Beschäftigte und Arbeitslose zu erhöhen!
Trotz all der Krisen der letzten Jahre wähnt sich das neoliberale kapitalistische System im Aufwind. Während hart erkämpfte Arbeitnehmerrechte beschnitten, Gewerkschaften zurück gedrängt und Schlagworte wie "Lohnverzicht" wieder salonfähig gemacht werden, bedient sich die ELITE immer ungehemmter!

Aber ich schweife ab. Eigendlich wollte ich auf eine andere Problematik zu sprechen kommen. Fachkräftemangel! Wie ich vor 14 Tagen schon mal angeschnitten habe, werden sich durch die zunehmende Automatisierung die Anforderungen an die Erwerbstätigen dramatisch verändern. Nur hoch qualifizierte Arbeitskräfte werden am Markt bestehen können - der Rest fällt hinten runter. Und da sitzt der Hase im Pfeffer!

Deutschland hat ein Bildungsproblem! Aufgeschreckt durch diverse Pisa-Studien versucht man seit Jahren, mit immer neuen Konzepten unsere Jugend für die Zukunft fit zu machen. Und das geht zur Zeit völlig in die Hose! Das Chaos auf dem Bildungssektor geht so weit, dass sich die Inhalte nicht nur von Bundesland zu Bundesland unterscheiden, sondern sogar von Schule zu Schule innerhalb eines Landkreises. Wer wie ich Kinder im schulpflichtigen Alter hat, fragt sich manchmal verzweifelt, wo das enden soll.

Irgend etwas läuft gewaltig schief, wenn Jugendliche nach 10 Jahren Schule erst mal ein Aufbauseminar brauchen, um den Anforderungen einer Lehrstelle gerecht zu werden. Wenn die Zukunftsaussichten zwischen Superstar und Hartz IV-Empfänger schwanken, kann einem mulmig werden.

Die Jugendarbeitslosigkeit liegt in Deutschland bei ungefähr 6 Prozent. Das ist zwar der niedrigste Wert in Europa, aber immer noch zu viel. Mehr als die Hälfte der Betroffenen hat keinen Ausbildungsabschluss!
Da müssen wir ansetzen!
Statt uns die Köpfe zu zerbrechen, wie wir ausländische Fachkräfte ins Land holen können (deren Abschlüsse meistens gar nicht anerkannt werden!), sollten wir unser eigenes Potenzial besser nutzen - unsere Kinder!
Ordentliche Bildung - ordentliche Jobs - finanzierbares Szialsystem!

scientia potentia est

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