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Sonntag, 29. Mai 2016
Warum machst du das?
dorn im auge, 19:01h
Diese Frage stellte mir mein Vater vor ein paar Monaten. Telefonisch. Da er mitten am Tag anrief, rechnete ich fest mit einer familiären Hiobsbotschaft, da smalltalk a la "Wollte nur mal horchen, wie's dir geht?!" in meiner Sippe eigendlich nicht üblich ist.
Er hatte aber "nur" meinen blog entdeckt, gelesen, analysiert und die Notwendigkeit gesehen, mir die Quintessenz seines Verständnisses zeitnah um die Ohren zu hauen. Fairerweise muss ich eingestehen, dass die o.g. Frage erst im weiteren Verlauf des Gespräches fiel. Zuerst wurde in bester pädagogischer Manier gelobt "Schreibstil, Themenauswahl - alles super!" Dann kam das Aber - und ich war wieder ganz klein mit Hut.
Warum ausgerechnet ich, der ich so vehement gegen die intime Nabelschau in den sozialen Netzwerken wettere, so einen Seelenstriptease hinlege?!
Verglich er meine Beiträge ernsthaft mit sinnfreien Statusmeldungen wie "Heute ist mir die Straßenbahn vor der Nase weggefahren.", "Der Avocado-Smoothie in der Bar XY schmeckt voll der Hammer!" und "Weil es heute so kalt ist, gehe ich lieber nicht raus."? Ein bißchen mehr hatte ich doch schon zu bieten, oder? Und selbst wenn ich private Anekdoten als Aufhänger benutzte, achtete ich doch peinlich genau darauf, keine Namen zu nennen!
Obwohl ich selbst merkte, dass meine Erklärungsversuche ziemlich lahm daherkamen, gab sich mein Vater damit zufrieden und beendete das Gespräch mit einem pädagogisch vorbildlichen "Jedenfalls erkenne ich dich ganz klar in dem, was du schreibst. Mach's gut!"
Aber der Stachel war gesetzt. Und er piesackt mich immer noch!
Also gut. Dann tun wir mal Butter bei die Fische!
Was treibt mich an?
Seit einem guten Jahr (natürlich habe ich verpasst, pünktlich zum Jahrestag etwas zu schreiben!) bin ich auf diesem Portal unterwegs. Eigendlich ein guter Zeitpunkt, eine Art Zwischenbilanz zu ziehen. Habe ich meine Ziele erreicht? Tja, hatte ich den überhaupt welche? Mal sehen.
Ich wollte jeden Sonntag schreiben. Fehlanzeige! Manchmal habe ich wochenlang (so wie jetzt wieder) nichts zustande bekommen.
Ich wollte provokant und witzig sein. Ich befürchte, dass es meistens nur zu eiem zynisch-moralischen Zeigefinger gereicht hat.
Ich wollte etwas anbieten - meine eigene Meinung. Hab' ich.
Und ich wollte (und das ist wohl meine Hauptmotivation gewesen!) etwas zurück bekommen. Feedback. Input. Kontroverse Argumente. Was das betrifft, halte ich es mit der Titanic - ich bin auf den Eisberg geknallt und saufe langsam ab. Die Kapelle spielt zwar noch, aber die SOS-Signale verhallen ungehört. Keine Resonanz!
Ehrlich gesagt nagt das gewaltig an meinem Selbstwertgefühl! Aber warum eigendlich? Ich definiere mich doch nicht durch die Wahrnehmung der Anderen. Oder doch?
Schwierige Frage. Ich glaube, in diesem Fall kann es nicht schaden, ein wenig weiter auszuholen.
Wir Menschen sind kommunikative Herdentiere. Im Laufe der Jahrtausende hat sich herauskristallisiert, dass ein gruppendienliches Verhalten evolutionäre Vorteile gegenüber einem Einzelgängerdasein bietet. Während herausragende Fähigkeiten zum Wohle der ganzen Gruppe eingesetzt werden konnten, hatte man gleichzeitig die Gewißheit, dass eigene Unzulänglichkeiten und Defizite durch die selbe Gruppe aufgefangen und kompensiert wurden. Das führte zu einer starken Individualentwicklung bei gleichzeitiger erhöhter Gruppenkompatibilität. Dazu war es aber unabdingbar, den eigenen Status innerhalb der Gruppe permanent zu überprüfen. Nur wer wußte, wo sein Platz war, konnte sich optimal einbringen.
Und hat sich daran irgendetwas geändert? Nein!
Mehr denn je versuchen wir angestrengt herauszufinden, wo wir stehen - innerhalb der Gruppe, der Gesellschaft, des Universums. OK, den letzten Punkt kann man bei vielen Zeitgenossen ausklammern; so weit reicht die angeborene Neugier dann doch nicht!
Ein wichtiger Faktor bei der individuellen Standortbestimmung ist zweifelsfrei die Fähigkeit der realistischen Selbsteinschätzung. Wer hier ruhigen Gewissens ein Bienchen auf die Checkliste setzen kann, hat schon mal einen Vorteil. Wenn sein Handeln dann auch noch von Außenstehenden positiv bewertet wird, steht seinem Wunsch, einen seinem Stellenwert entsprechenden Platz in der Gesellschaft einzunehmen, eigendlich nichts mehr im Wege.
Diese sich verstärkende Wirkung innerer und äußerer Wahrnehmung funktioniert natürlich auch im negativen Sinne. Wenn ich selbst schon überzeugt bin, nichts wert zu sein, reicht die kleinste Andeutung, dass ich mit dieser Einschätzung nicht ganz falsch läge, um eine Katastrophe auszulösen. Den daraus entstehenden Fatalismus kann man sogar so weit kultivieren, dass ein Entkommen aus dieser verheerenden Spirale nahezu unmöglich erscheint.
Was aber passiert, wenn sich innere und äußere Wahrnehmung krass unterscheiden? Suche ich dann den Fehler zuerst bei mir? Oder scheiße ich auf die äußere Wahrnehmung?!
Ich denke, wenn das Ungemach aus einer weit entfernten, womöglich sogar anonymen, Ecke kommt, kann man sie getrost ignorieren. Ob mangagirl, mullewap17 oder der besserwisser mit mir einer Meinung sind, kann mir schnurzpiepegal sein. Bei Menschen, die ich kenne, die ich respektiere, die ich sogar liebe, sieht die Sache schon anders aus. Da will ich ja dazu gehören! Da ist jede einzelne Meinung extrem wichtig!
Womit wir wieder am Ausgangspunkt wären. Warum sollte mir die Meinung völlig unbekannter Leute wichtig sein? Vieleicht sind ja Klaus' Gedanken eher die einer übergewichtigen Hausfrau und Birgit die Starke in Wirklichkeit ein pickliger Gymnasiast?
Wen interessiert's?!
Vieleicht bin ich ja auch nur eine neuartige Kommunikationssoftware, die zu Erprobungszwecken auf die Menschheit losgelassen wurde?
Wer weiß schon, wer oder was sich hinter all den Fantasienamen verbirgt?
Aber egal ob unsere Beiträge banal oder tiefsinnig, lächerlich oder erheiternd, überflüssig oder informativ sind; sie wurden (so hoffe ich!) in dem Bestreben niedergeschrieben, dass sich irgendjemand da draußen darin wiederfindet und damit indentifiziert, sie womöglich als Puzzlestein in die eigene Persönlichkeitsstruktur einbaut.
Aber vieleicht ist ja auch alles viel trivialer und ich interpretiere viel zu viel hinein - wieder mal.
Warum mache ich das?
Er hatte aber "nur" meinen blog entdeckt, gelesen, analysiert und die Notwendigkeit gesehen, mir die Quintessenz seines Verständnisses zeitnah um die Ohren zu hauen. Fairerweise muss ich eingestehen, dass die o.g. Frage erst im weiteren Verlauf des Gespräches fiel. Zuerst wurde in bester pädagogischer Manier gelobt "Schreibstil, Themenauswahl - alles super!" Dann kam das Aber - und ich war wieder ganz klein mit Hut.
Warum ausgerechnet ich, der ich so vehement gegen die intime Nabelschau in den sozialen Netzwerken wettere, so einen Seelenstriptease hinlege?!
Verglich er meine Beiträge ernsthaft mit sinnfreien Statusmeldungen wie "Heute ist mir die Straßenbahn vor der Nase weggefahren.", "Der Avocado-Smoothie in der Bar XY schmeckt voll der Hammer!" und "Weil es heute so kalt ist, gehe ich lieber nicht raus."? Ein bißchen mehr hatte ich doch schon zu bieten, oder? Und selbst wenn ich private Anekdoten als Aufhänger benutzte, achtete ich doch peinlich genau darauf, keine Namen zu nennen!
Obwohl ich selbst merkte, dass meine Erklärungsversuche ziemlich lahm daherkamen, gab sich mein Vater damit zufrieden und beendete das Gespräch mit einem pädagogisch vorbildlichen "Jedenfalls erkenne ich dich ganz klar in dem, was du schreibst. Mach's gut!"
Aber der Stachel war gesetzt. Und er piesackt mich immer noch!
Also gut. Dann tun wir mal Butter bei die Fische!
Was treibt mich an?
Seit einem guten Jahr (natürlich habe ich verpasst, pünktlich zum Jahrestag etwas zu schreiben!) bin ich auf diesem Portal unterwegs. Eigendlich ein guter Zeitpunkt, eine Art Zwischenbilanz zu ziehen. Habe ich meine Ziele erreicht? Tja, hatte ich den überhaupt welche? Mal sehen.
Ich wollte jeden Sonntag schreiben. Fehlanzeige! Manchmal habe ich wochenlang (so wie jetzt wieder) nichts zustande bekommen.
Ich wollte provokant und witzig sein. Ich befürchte, dass es meistens nur zu eiem zynisch-moralischen Zeigefinger gereicht hat.
Ich wollte etwas anbieten - meine eigene Meinung. Hab' ich.
Und ich wollte (und das ist wohl meine Hauptmotivation gewesen!) etwas zurück bekommen. Feedback. Input. Kontroverse Argumente. Was das betrifft, halte ich es mit der Titanic - ich bin auf den Eisberg geknallt und saufe langsam ab. Die Kapelle spielt zwar noch, aber die SOS-Signale verhallen ungehört. Keine Resonanz!
Ehrlich gesagt nagt das gewaltig an meinem Selbstwertgefühl! Aber warum eigendlich? Ich definiere mich doch nicht durch die Wahrnehmung der Anderen. Oder doch?
Schwierige Frage. Ich glaube, in diesem Fall kann es nicht schaden, ein wenig weiter auszuholen.
Wir Menschen sind kommunikative Herdentiere. Im Laufe der Jahrtausende hat sich herauskristallisiert, dass ein gruppendienliches Verhalten evolutionäre Vorteile gegenüber einem Einzelgängerdasein bietet. Während herausragende Fähigkeiten zum Wohle der ganzen Gruppe eingesetzt werden konnten, hatte man gleichzeitig die Gewißheit, dass eigene Unzulänglichkeiten und Defizite durch die selbe Gruppe aufgefangen und kompensiert wurden. Das führte zu einer starken Individualentwicklung bei gleichzeitiger erhöhter Gruppenkompatibilität. Dazu war es aber unabdingbar, den eigenen Status innerhalb der Gruppe permanent zu überprüfen. Nur wer wußte, wo sein Platz war, konnte sich optimal einbringen.
Und hat sich daran irgendetwas geändert? Nein!
Mehr denn je versuchen wir angestrengt herauszufinden, wo wir stehen - innerhalb der Gruppe, der Gesellschaft, des Universums. OK, den letzten Punkt kann man bei vielen Zeitgenossen ausklammern; so weit reicht die angeborene Neugier dann doch nicht!
Ein wichtiger Faktor bei der individuellen Standortbestimmung ist zweifelsfrei die Fähigkeit der realistischen Selbsteinschätzung. Wer hier ruhigen Gewissens ein Bienchen auf die Checkliste setzen kann, hat schon mal einen Vorteil. Wenn sein Handeln dann auch noch von Außenstehenden positiv bewertet wird, steht seinem Wunsch, einen seinem Stellenwert entsprechenden Platz in der Gesellschaft einzunehmen, eigendlich nichts mehr im Wege.
Diese sich verstärkende Wirkung innerer und äußerer Wahrnehmung funktioniert natürlich auch im negativen Sinne. Wenn ich selbst schon überzeugt bin, nichts wert zu sein, reicht die kleinste Andeutung, dass ich mit dieser Einschätzung nicht ganz falsch läge, um eine Katastrophe auszulösen. Den daraus entstehenden Fatalismus kann man sogar so weit kultivieren, dass ein Entkommen aus dieser verheerenden Spirale nahezu unmöglich erscheint.
Was aber passiert, wenn sich innere und äußere Wahrnehmung krass unterscheiden? Suche ich dann den Fehler zuerst bei mir? Oder scheiße ich auf die äußere Wahrnehmung?!
Ich denke, wenn das Ungemach aus einer weit entfernten, womöglich sogar anonymen, Ecke kommt, kann man sie getrost ignorieren. Ob mangagirl, mullewap17 oder der besserwisser mit mir einer Meinung sind, kann mir schnurzpiepegal sein. Bei Menschen, die ich kenne, die ich respektiere, die ich sogar liebe, sieht die Sache schon anders aus. Da will ich ja dazu gehören! Da ist jede einzelne Meinung extrem wichtig!
Womit wir wieder am Ausgangspunkt wären. Warum sollte mir die Meinung völlig unbekannter Leute wichtig sein? Vieleicht sind ja Klaus' Gedanken eher die einer übergewichtigen Hausfrau und Birgit die Starke in Wirklichkeit ein pickliger Gymnasiast?
Wen interessiert's?!
Vieleicht bin ich ja auch nur eine neuartige Kommunikationssoftware, die zu Erprobungszwecken auf die Menschheit losgelassen wurde?
Wer weiß schon, wer oder was sich hinter all den Fantasienamen verbirgt?
Aber egal ob unsere Beiträge banal oder tiefsinnig, lächerlich oder erheiternd, überflüssig oder informativ sind; sie wurden (so hoffe ich!) in dem Bestreben niedergeschrieben, dass sich irgendjemand da draußen darin wiederfindet und damit indentifiziert, sie womöglich als Puzzlestein in die eigene Persönlichkeitsstruktur einbaut.
Aber vieleicht ist ja auch alles viel trivialer und ich interpretiere viel zu viel hinein - wieder mal.
Warum mache ich das?
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