Montag, 15. Februar 2016
Lieber Staat
Mit dem Alter kommt die Weisheit. Wobei Alter ein relativer Begriff ist und Weisheit eine sehr subjektive Note besitzt.
Da ich mir nicht anmaße, für andere Leute zu sprechen, geht es wieder mal nur um meine eigene Gefühlslage.
Ich bin verunsichert!

In meinen 45 Lebensjahren habe ich mir aus DDR-typischer Allgemeinbildung, marktwirtschaftlichem Arbeitsalltag, idealistischen Philosophie-Träumereien und selbst verschuldeten privaten Rückschlägen ein Lebensmodell zusammen gezimmert.
Meine Weisheit!
Man entwickelt sich ja schließlich weiter.
Aber es passt nicht!

Mit diesem Modell komme ich offensichtlich nicht weiter!
In dem Glauben erzogen, dass eine gerechte und humanistische Gesellschaftsordnung ausreichende Argumente besitzt, um sich dem Volk als einzig vernünftige Alternative zu präsentieren, muß ich seit Jahren ohnmächtig mit ansehen, wie sich der Raubtier-Kapitalismus hartnäckig weigert, endlich zu kollabieren.
Ganz im Gegenteil!

Obwohl uns täglich vor Augen geführt wird, dass der derzeitige markt-liberale Verdrängungswettbewerb westlicher Prägung kein einziges der aktuellen Krisenthemen lösen kann, hält sein Siegeszug unvermindert an.
Warum?
Lagen Marx und Engels vieleicht doch falsch?
Ist der Kapitalismus so anpassungsfähig geworden, dass er den gesetz-mäßigen zyklischen Hochs und Tiefs widerstehen kann?
Oder kommt der große Knall noch?

Was das bedeutet, dürfte jedem klar sein - KRIEG!
An weltweitem Anschauungsmaterial fehlt es ja zur Zeit nicht.
Während sich Diplomaten in zermürbendem Klein-Klein um minimale Kompromisse verschleißen, schwingen populistische Demagogen erfolgreich die martialische Keule.
Nicht lange nachdenken - imma feste druff!
Zurück rudern kann man später immer noch!

Kriegsrethorik ist wieder salonfähig geworden, wobei sich die intellektuelle Substanz derselben nur unwesentlich von dem Bierdeckel unterscheidet, auf dem sie offenbar entstanden ist.
Was z.B. im US-amerikanischen Wahlkampf abgeht, läßt die AfD-
Krakeler wie Chorknaben aussehen.
Und wir reden hier vom angeblich zivilisierten demokratischen Teil unserer Welt! Wir reden von Auswüchsen, über die Bewohner von Bürgerkriegsländern nur müde lächeln würden, wenn sie dazu überhaupt noch in der Lage wären.

Wir stehen an einer historischen Weggabelung.
War der Versuch, eine Gesellschaftsordnung aufzubauen, die dem Naturgesetz "FRESSEN UND GEFRESSEN WERDEN" widerspricht, eine Sackgasse?
Haben DIE ÄRZTE recht, wenn sie im Song "El Cativo" ihrem Schurken die Worte in den Mund legen "Das Böse siegt immer!"?
War die Zeitspanne, in der wir die Knochenkeule gegen ein Sturm-
gewehr tauschten doch zu kurz, um archaische Überlebens-strategien abzulegen?

Eine Gesellschaft aufzubauen, in der das Gemeinwohl an oberster Stelle steht, ist ja nicht grundsätzlich falsch. Klappt bei Ameisen prima. Jeder hat seinen festen Platz, den er ohne groß nachzudenken ausfüllt. Nur in Zeichentrickfilmen kann es vorkommen, dass ein aufmüpfiger Sonderling aus dem Verband ausschert und seinen persönlichen Stellenwert hinterfragt.

Wir Menschen tun das unentwegt.
Obwohl man uns permanent einreden will, dass wir uns als Teil des großen Ganzen und als Rädchen im Getriebe betrachten sollen, bleiben wir doch Individuen mit persönlichen Träumen und Bedürfnissen. Und ein paar fiesen Eigenschaften, die uns eigentlich daran hindern müßten, als gesellige Herdentiere durch's Leben zu trotten.

So lange unsere Bedürfnisse befriedigt werden, sind wir eigendlich ganz verträglich. Doch wehe, jemand bricht in unseren kleinen Kosmos ein!
Wir sind nicht umsonst die beherrschende Spezies auf diesem Planeten. Mit der uns eigenen Gnadenlosigkeit und Effizienz bekämpfen wir jeden wahren und vermeindlichen Feind. Wird gerade im aktuellen Kinofilm "Die 5. Welle" thematisiert.(tolle Idee - sterbens-langweilige Umsetzung!)

Der Stärkere gewinnt! Das war schon immer so. Da wir als Menschen aber alles hinterfragen müssen, wurde auch dieses Naturgesetz zur Disposition gestellt. Und siehe da!
Endlich hatten wir einen Punkt gefunden, an dem wir uns von unserer tierischen Vergangenheit lösen konnten.
Wir setzten das Gesetz außer Kraft!
Jeder sollte sich nach seinem Gusto entfalten dürfen. Gewaltanwendung als Mittel der Konfliktlösung sollte aus den zwischenmenschlichen und zwischenstaatlichen Beziehungen verschwinden.
Nobel gedacht, aber wider die Natur!
Wenn's hart auf hart kommt, bevorzugen wir nun mal den Erstschlag statt der "die andere Wange hinhalten"-Strategie.
Das war auch allen beteiligten Akteuren klar. Also wurden die neuen Verhaltensrichtlinien in Stein gemeißelt.

FRIEDEN stand ganz oben auf dem diplomatischen Wunschzettel.
Wurde so lange aufrecht erhalten, wie sich zwei waffenstarrende Militärbündnisse gegenseitig in Schach hielten.

In beiden deutschen Staaten übertrug das Volk seinen Schutz und dessen Durchsetzung ganz auf die staatlichen Justiz- und Exekutiv-organe. Was in der DDR bedeutete, den Machtanspruch der SED zu zementieren. Das Gewaltmonopol in der Hand einer einzigen Partei und der ihr untergebenen Sicherheitsorgane widersprach jeglichem Demokratieverständnis.
In der BRD wurde das Gewaltmonopol per Grundgesetz dem Staat zugeschrieben, der durch regelmäßige wirkliche Wahlen als Vollstrecker immer neuer möglichen politischen Zusammensetzungen fungiert.

Und damit wäre ich wieder bei meiner ursprünglichen Verunsicherung.
Wie stehe ich den nun zu diesem Staat?
Als ich neulich Klaus' Gedanken kommentierte, wo es darum ging, dass eine Unterstützung der Merkel-Regierung ja auch eine Tolerierung der verbalen Aussetzer eines Horst Seehofer beinhaltet, war ich mir noch sicher, mit meiner Kontra-Haltung auf der richtigen Seite zu sein.
Dieses Gesellschaftsmodell ist nicht zukunftsfähig!

Andererseits bin ich mir durchaus bewußt, welche verheerenden Auswirkungen ein Zusammenbruch nach sich ziehen würde.
Es trifft immer die Falschen und die Revolution frisst ihre Kinder!
Niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass ein erneuter Modell-wechsel so gewaltlos wie 1990 über die Bühne gehen würde!

Das weiß wahrscheinlich auch Die Linke in Deutschland. Es würde zumindest ihre zurückhaltende Wortführerschaft erklären, obwohl doch alle Zeichen auf Sturm stehen.

Verdammt!
Wir brauchen gerade jetzt einen starken handlungsfähigen deutschen Staat.
Wir können nicht tolerieren, dass sich in unserem Land Parallelgesell-schaften mit eigener Rechtsprechung etablieren, dass Scharia-Milizen durch die Straßen patrouillieren, dass arabische Großfamilien no-go-areas einrichten und Extremisten jeglicher Couleur ihr Unwesen treiben!
Wenn Polizisten nicht trotz, sondern wegen ihrer Dienstmarke angegriffen werden, sind wir auf dem Weg zu einem schwachen Staat.

Laut wikipedia kann ein schwacher Staat die als notwendig für das Staats- und Gemeinwohl erachteten Aufgaben und Verpflichtungen gegenüber seinen Bürgern nur noch in einem unzureichenden Maße erfüllen.

Na Prima!
Da bin ich Weichei wahrscheinlich der Erste, der unter die Räder kommt!

Bleibt also meine bittere Erkenntnis, dass es im Moment keine Alternative zu Mutti's konservativem Regierungsstil gibt.

Es sei denn, Frau Wagenknecht verläßt ihre Lafontaine'sche Wohlfühloase und zeigt mir einen Weg, wie es besser gehen könnte.

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